Riesenzysten in der Lunge: Baby Erik lebt dank der Expertise am Uniklinikum!

Pressemitteilung
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Lebensrettende Premieren am LKH-Univ. Klinikum Graz: Dass der nur zwölf Wochen alte Erik vor Kurzem das Kinderzentrum des LKH-Univ. Klinikum Graz verlassen konnte, verdankt er der innovativen und beherzten Zusammenarbeit verschiedener Fachärzt*innen im Expertisezentrum (Typ-B) für Babys mit angeborenen Lungenfehlbildungen (CPAM). Massive Zysten in der Lunge bedrohten sowohl im Mutterleib als auch nach der Geburt das Leben des Säuglings. Während der Schwangerschaft überlebte er dank eines einzigartigen Eingriffs an der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, nach der Geburt dank einer intensivmedizinischen Therapie sowie einer in Graz zum ersten Mal durchgeführten, hochdiffizilen OP an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie. Dabei entfernte das Team rund um Zentrumsleiter und Klinikvorstand Holger Till den Mittel- und den Oberlappen der Lunge. Der verbliebene Unterlappen konnte sich regenerieren und auch das Herz des Babys hat nun wieder ausreichend Platz. Eriks Eltern sind überglücklich. In seinem Heimatland Slowenien hätten die Mediziner*innen dem Baby nicht helfen können.

(v.l.n.r.) Univ.-Prof. DDr. Sebastian Tschauner, DGKP Birgit Hochreiner, Assoz.-Prof. Dr. Philipp Klaritsch, Univ.-Prof. Ernst Eber, Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Nina Mohorko mit Erik und Tadej Iršič ©LKH-Univ. Klinikum Graz / Marija Kanizaj

Vor rund einem Monat hat der kleine Erik mit Mama Nina und Papa Tadej das Uniklinikum Graz Richtung Maribor verlassen. Mit im „Gepäck“ neben der unsagbaren Freude seiner Eltern nur ein Überwachungsmonitor für Puls, Sauerstoffsättigung, Herz- und Atemfrequenz – eine Vorsichtsmaßnahme, die den Kleinen im ersten Lebensjahr im Schlaf überwachen soll. Ansonsten geht es dem Baby ausgezeichnet. Erik isst, trinkt, atmet und lächelt. „Wenn das keine guten Nachrichten sind!“, freut sich auch Holger Till, Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie. Bei einer Presskonferenz heute Vormittag erzählten er und seine Kolleg*innen die ganze Geschichte von Erik, der ohne Behandlung am Uniklinik wohl nicht am Leben wäre.

Innovativ gesetzter Shunt rettet Baby im Mutterleib

Aber beginnen wir von vorne, beim ersten Ultraschallbild, das eine Fehlbildung der rechten Lunge des ungeborenen Kindes zeigte. Eine schlimme Nachricht für Eriks Eltern, Nina Mohorko und Tadej Iršič, zumal die Prognose für ihr Ungeborenes äußerst schlecht war. Die Zysten in Eriks Lunge waren so massiv, wie sie Ärzt*innen nur selten zu Gesicht bekommen. Und obwohl man die Eltern auf das Expertisezentrum in Graz aufmerksam machte, hatten die Ärzt*innen in Slowenien keine Zuversicht, dass überhaupt ein Überleben bis zur Geburt möglich wäre.

Die Eltern begannen auf eigene Faust zu recherchieren und stießen dabei auf Philipp Klaritsch, den Leiter der Fetalmedizin an der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe. In der 22. Schwangerschaftswoche kamen sie zum ihm in die Ambulanz für pränatale Diagnostik und Therapie. Klaritsch erinnerte sich heute: „Wir sahen einen bereits massiv betroffenen Fetus, der durch große zystische Lungenveränderungen, genannt CPAM, eine ausgeprägte Verdrängung des Herzens und massive Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle aufwies. Das führt unbehandelt nahezu immer zum Tod des Ungeborenen.“

Eine Entbindung war in der frühen Schwangerschaftswoche keine Option. „Wir haben uns deshalb für einen innovativen Therapieansatz entschieden“, erzählt Klaritsch bei der Pressekonferenz. Noch am selben Tag hat er bei Erik unter Ultraschallsicht einen Shunt durch die Brustwand in eine der großen Zysten in der Lunge gelegt. Dadurch konnte die Flüssigkeit aus der Zyste in die Fruchthöhle abfließen und der Druck auf das Herz verringert werden. Der Eingriff funktionierte, Erik überlebte. „Wir waren so unendlich dankbar und glücklich, dass man die Behandlung hier gewagt hat“, sagen Eriks Eltern. „Als ich Dr. Klaritsch zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich hier an der richtigen Stelle bin“, erinnert sich Eriks Mama an den Augenblick, an dem sie endlich wieder etwas Hoffnung schöpfen durfte.

Was ist ein Shunt?

Ein Shunt ist eine Kurzschlussverbindung mit Flüssigkeitsübertritt zwischen normalerweise getrennten Gefäßen oder Hohlräumen. Ein solcher kann im Rahmen einer medizinischen Maßnahme künstlich gelegt werden. Bei CPAM kann die Überlebensrate durch eine Shunteinlage auf 60-80 Prozent erhöht werden.

Thoraxdrainage für das Baby, das nicht selbstständig atmen kann

Eriks Heldenreise ins Leben hatte sehr viele Hürden. Niemand konnte garantieren, dass sie ein Happy End haben würde, aber man tat alles medizinisch und menschlich Mögliche, damit es gelingen konnte. Nach der lebensrettenden OP vor der Geburt (Shunt) folgte bald die nächste. Um das Kind in den Tagen nach der Geburt zu stabilisieren, hat Holger Till bei Erik eine Thoraxdrainage gelegt und Ernst Eber, den Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, hinzugerufen. Er konnte zwar einen Tubus in die linke Lunge legen, doch diese war so stark von der rechten Lunge zusammengedrückt, dass sie Erik bei der Atmung nicht unterstützen konnte. Das Team der kinderchirurgischen Intensivstation konnte Erik gut stabilisieren, doch kurzfristig standen Erik, seine Eltern und das gesamte Team vor der nächsten nahezu ausweglosen Situation. Till: „Ohne die Drainage war der Kleine nicht lebensfähig, mit Drainage nicht entlassungsfähig.“

Erste Mittel- und Oberlappenresektion bei Baby in Graz

Bei Erik war zunächst unklar, ob nur der Oberlappen oder gleichzeitig auch der Mittellappen von der Fehlbildung betroffen sind und ob die Luftwege nicht noch zusätzlich verengt sind. Dank der kinderradiologischen Diagnostik und einer einmaligen 3-D-Rekonstruktion der Lunge durch Sebastian Tschauner, Leiter der Klinischen Abteilung für Kinderradiologie, konnte eine klare Operationsstrategie für Erik entwickelt werden: Eine Ober- und eine Mittellappenresektion waren notwendig, ein hochdiffiziler Eingriff, insbesondere bei einem Neugeborenen. Eine OP, wie sie in Graz noch nie durchgeführt worden war, war die einzige Option für Erik. „Es hat an unserer Klinik zwar schon eine oder zwei Oberlappenresektionen bei Neugeborenen mit CPAM und lebensbedrohlichen Atemproblemen gegeben, aber noch nie die gleichzeitige Entfernung beider Lappen. Um diesen seltenen und lebensgefährlichen Eingriff besser zu planen und die Risiken zu antizipieren, hat sich das Grazer Ärzt*innenteam bei den besten Thoraxchirurgen der Welt informiert. Das Kind habe keine andere Chance als die Entfernung des Ober- und Mittellappens der Lunge, waren sich alle Experten einig. „Wir haben dann den Oberlappen reseziert, den Mittellappen reseziert und den Unterlappen belüftet – Erik hat das auf fast wundersame Weise alles gut überstanden. Es gab überhaupt keine Probleme“, so Till. „Keine Nachblutung, keine Fisteln, keine anderen Komplikationen, gar nichts.“ Noch aus dem OP-Saal heraus hat er die Eltern verständigt. „Wir waren so erleichtert“, sagt Eriks Mama. Auch wenn sie ihr Baby, das nach der OP intensivmedizinisch betreut wurde, nicht gleich in die Arme nehmen konnte, war sie voller Vertrauen: „Ich wusste, dass Erik bei diesem Team bei jeder einzelnen Person in guten Händen ist. Es waren wirklich besondere Menschen, hilfsbereit, mitfühlend, geduldig.“

Was ist eine CPAM?

Die CPAM (Congenital Pulmonary Airway Malformation) ist eine seltene angeborene Fehlbildung der Lunge, die rund 1 von 3.000 Schwangerschaften betrifft. Im betroffenen Lungenlappen kommt es dabei zu Zystenbildungen anstelle der Ausreifung normalen Atemgewebes. Die Ursache für die Erkrankung ist unbekannt, meist wird sie im pränatalen Ultraschall entdeckt. Am LKH-Univ. Klinikum Graz werden pro Jahr drei bis fünf Kinder mit CPAM behandelt. Derart große zystische Veränderungen wie bei Erik sind aber extrem selten. Die Entfernung der betroffenen Lungenlappen ist die einzige Möglichkeit, die CPAM nachhaltig zu behandeln. In der Regel wird rund um den ersten Geburtstag operiert.

Großer Erfolg für das neue Expertisezentrum

Eine medizinische Behandlung, wie sie Erik das Leben gerettet hat, ist nur in spezialisierten Expertisezentren möglich. Die von Holger Till geleitete Klinik ist seit 2023 ein Expertisezentrum (Typ-B-Zentrum) für „Intestinale Kongenitale Anomalien“ (ICA), das erste in Österreich. Hier versammelt sich die Expertise für die Behandlung von Kindern mit angeborenen Störungen der Lunge, des Zwerchfells, der Speiseröhre und des Magen-Darmtrakts. „Gerade bei seltenen Erkrankungen, zu denen viele angeborene Fehlbildungen gehören, ist die Expertise eines Zentrums der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Till und ergänzt: „Geschichten wie die von Erik sind keine Heldengeschichten eines einzelnen Arztes. Sein Leben wurde möglich, weil alle Beteiligten schrittweise das Richtige getan haben. Das macht ein Zentrum aus.“

Die beteiligten Fachdisziplinen (v. li. nach re.)

©LKH-Univ. Klinikum Graz / Marija Kanizaj

Assoz.-Prof. Dr. Philipp Klaritsch, Leiter der Fetalmedizin an der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe
Er hat bei Erik noch im Mutterleib einen Shunt gelegt, der ihm das Überleben bis zur Geburt ermöglicht hat.

Univ.-Prof. DDr. Sebastian Tschauner, Leiter der Klinischen Abteilung für Kinderradiologie
Er verantwortete bei Eriks Behandlung die Thorax-CT.

DGKP Birgit Hochreiner, pflegerische Leitung der Kinderchirurgische Intensivstation
Mit ihrem Team hat sie Erik knapp acht Wochen auf der Intensivstation betreut.

Univ.-Prof. Ernst Eber, Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Er kam auf der Intensivstation hinzu, um einen Tubus in die Lunge des Babys zu legen.

Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie
Holger Till hat bei dem Baby nach der Geburt die Entfernung der Ober- und Mittellappen der Lunge durchgeführt – noch nie zuvor gab es am Uniklinikum Graz eine solche OP.

FAO Hinrich Baumgart, leitender Oberarzt der Kinderchirurgischen Intensivstation
Seine Expertise hat wesentlich dazu beigetragen, dass es Erik so gut geht.

Kontakt

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

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