"Schützt uns - Lasst euch gegen Masern impfen"

Pressemitteilung

73 Babys mussten heuer wegen des Masernausbruches in der Steiermark an der Grazer Univ.- Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde stationär aufgenommen werden und haben eine Immunglobulininfusion bekommen. 18 Eltern haben sich spontan bereit erklärt, Fotos ihrer Babys für ein Plakat zur Verfügung zu stellen. Sie wollen so darauf aufmerksam machen, dass Kinder in den ersten Lebensmonaten noch nicht gegen Masern geimpft werden können und auf den Impfschutz der anderen angewiesen sind.

Impfexperte und Initiator des Projektes, Univ.-Prof. Werner Zenz, ist Kinderarzt an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH-Univ. Klinikum Graz. Er beantwortet die am häufigsten gestellten Fragen zu den Masern und stellt aktuell verbreitete Impfmythen richtig:

Ist es notwendig, Säuglinge bereits nach einem kurzen Kontakt mit einem Masernerkrankten mit Immunglobulininfusion zu behandeln? Ist das nicht übertrieben?
Zenz: Masern gehören zu den ansteckendsten Erkrankungen, die wir kennen. Es reicht bereits ein kurzer Kontakt, um die Krankheit zu bekommen. Zusätzlich sind Masernpatienten bereits in den ersten Tagen hoch ansteckend, in dieser Phase kann die Krankheit aber noch nicht von einem einfachen Infekt wie z.B. einer Bronchitis unterschieden werden. Kinder über 9 Monate können in den ersten 72 Stunden nach dem Kontakt mit einem Masernkranken geimpft werden, danach müssen sie ebenso wie alle Säuglinge mit Immunglobulininfusion behandelt werden. Die Behandlung erfolgt als Infusion über mehrere Stunden und verhindert eine Masernerkrankung. Dieser Behandlung mussten sich auch alle Babys, die am LKH-Univ. Klinikum Graz während des letzten Masernausbruchs in der Ambulanz waren, unterziehen – und sie sind alle gesund geblieben.

Wie gefährlich sind Masern wirklich?
Zenz: Wir haben heuer in Österreich bis jetzt 70 Masernfälle. Wenn wir von einer Letalität von 1:1.000 ausgehen, hätten wir bei einer Annahme von 100 Fällen pro Jahr rein rechnerisch in zehn Jahren einen einzigen Todesfall.

Ist es nicht so, dass die Letalität von 1 auf 1.000 Masernerkrankten nur in Ländern mit schlechten Gesundheitssystemen beobachtet wird? Ist das also in Österreich nur reine Panikmache?
Zenz: Nein! Wir haben in Österreich ca. 80.000 Geburten/Jahr. Ohne Masernimpfung würde das bedeuten, dass wir ca. 80 Kinder pro Jahr an Masern verlieren würden. Wenn man die Häufigkeit von tödlichen Kinderunfällen im Straßenverkehr hernimmt, sieht man, dass wir 2016/2017/2018 mit sieben, acht und drei zu beklagenden kindlichen Todesopfer weit weniger Opfer hatten als wir durch die Masern bei einer ungeimpften Population zu erwarten hätten. Die Masernzahlen aus 2018 in Ländern, deren Gesundheitssystem mit dem österreichischem vergleichbar ist, sind: Frankreich 2.913 Fälle mit drei Todesopfern und Italien 2.517 Fälle mit sieben Todesopfern. Ich persönlich habe zwei Kinder gesehen, die an Masern gestorben sind, ein Kind, das nach einer Masernenzephalitis schwer behindert ist und ein Kind, das wegen einer Masernpneumonie an der Herz-Lungenmaschine war.

Was ist eigentlich die Masernenzephalitis (subakut sklerosierende Panenzephalitis)?
Zenz: Die subakut sklerosierende Panenzephalitis ist eine Erkrankung des Gehirns, die durch das Masernvirus ausgelöst wird und fast immer tödlich verläuft. Nach einer Inkubationszeit von ca. zehn Jahren kommt es zu einem progressiven neurologischem Abbau bei einem vorher völlig gesunden Kind mit Verhaltensstörungen, Krampfanfällen, Blindheit, Koma und Tod. Vor allem Säuglinge, die noch nicht geimpft werden können, haben ein relativ höheres Risiko für eine Ansteckung mit dieser Erkrankung. Bekommen Kinder im ersten Lebensjahr Masern, tritt die Krankheit bei einem von 600 auf, generell beträgt das Risiko 1:10.000.

Gibt es auch positive Effekte der Masern wie z.B. die Verhinderung von Allergien?
Zenz: Das wurde vor 20 Jahren behauptet. Es gibt in der Zwischenzeit zahlreiche Studien, die dies eindeutig widerlegen. In einer Metaanalyse, die Studien mit mehr als 14 Millionen Patienten analysiert hat, wurde klar gezeigt, dass die Masern keine positiven Effekte für den Menschen haben. Übrigens wurde in dieser Studie auch gezeigt, dass die Masernimpfung keinen Autismus auslöst.

Wie kann man Babys vor Masern schützen?
Zenz: Säuglinge in den ersten Lebensmonaten oder Kinder mit Immunsuppression können nicht geimpft werden. Das Dilemma ist nun, wenn diese Kinder in einer Kinderklinikambulanz oder beim Kinderfacharzt mit einem Masernpatienten in Kontakt kommen, erkranken sie, außer man verabreicht ihnen eine Immunglobulininfusion. Der beste Schutz gegen eine Maserninfektion ist natürlich eine Gruppen- oder Herdenimmunität, als Folge einer hohen Durchimpfungsrate. Ziel des österreichischen Impfplanes ist es, eine Durchimpfungsrate von 95% bei beiden Masern-Mumps-Röteln- Teilimpfungen zu erreichen. 90% der Kinde r in Österreich haben zumindest eine der beiden Masernteilimpfungen bekommen, die bereits in hohem Prozentsatz vor der Erkrankung schützt.

Setzen einige, wenige Impfverweigerer alle anderen einem vermeidbaren Risiko aus?
Zenz: Das stimmt sicherlich und es ist ärgerlich, dass Impfskeptiker kleine Babys in Gefahr bringen. Ich war vor kurzem auf einem Kongress in Wien, wo das Hauptthema die Erfahrung mit der Impfpflicht in Europa war. Es war sehr interessant zu hören, dass in Frankreich und Italien seit Einführung der Impfpflicht die Durchimpfungsraten ansteigen. In diesen Ländern dürfen ungeimpfte Kinder weder in den Kindergarten noch in die Schule gehen. Ein alternativer Vorschlag wäre eine an die Zahlungen des Mutter-Kind-Passes gekoppelte finanzielle Restriktion für Ungeimpfte.

In Österreich sind wir von dieser Durchimpfungsrate aber noch weit entfernt. Sind Sie für eine Masern-Impfpflicht?
Zenz: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe wenig Freude damit, anderen vorzuschreiben, dass sie sich impfen lassen müssen. Wir diskutieren schon seit vielen Jahren über eine Impfpflicht und das erfolglos wie man am jüngsten Masernausbruch sieht. Was also können wir wirklich machen? Ich versuche, an das soziale Gewissen der Menschen zu appellieren – zum Beispiel indem wir die Fotos der Babys veröffentlichen und so die Menschen dazu bewegen, sich impfen zu lassen und damit sich und auch andere zu schützen! Als Kinderarzt unserer Klinik sehe ich es als meine Pflicht mich schützend vor unsere Patienten zu stellen. Impfen ist nicht nur Selbstschutz, sondern auch eine soziale Leistung für die Schutzlosesten unserer Gesellschaft. Auch unsere Kleinsten haben ein Recht auf Gesundheit. Angesichts 73 vermeidbarer Spitalsaufnahmen sehe ich die Politik gefordert, aktiv zu werden.

Kontakt

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

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