Kuscheln als Ehrenamt

Pressemitteilung

Nicht jedes Baby hat einen sanften Start ins Leben. Für manche beginnt es mit Entzug. So auch für die beiden Frühchen Milo und Emil (Namen von der Redaktion geändert), die auf der Klinischen Abteilung für Neonatologie am Uniklinikum Graz mit dem neonatalen Abstinenzsyndrom (NAS) diagnostiziert wurden. In Fällen wie diesen haben Anja und Petra Großschädl vom Verein Lichtblick ihren großen Einsatz: Sie schenken den Kleinen jene zusätzliche Portion Nestwärme, die diese so dringend brauchen – ehrenamtlich.

Liebevoll streichelt Anja Großschädl über den Rücken und das Köpfchen des kleinen Milo, den sie vorsichtig aus seinem Bettchen nimmt. Petra Großschädl nimmt Emil auf den Arm, schaukelt ihn leicht und reicht ihm ihren Finger, den er sogleich fest umschließt. Fast könnte man beim Anblick der beiden Frauen meinen, eine junge Mutter und eine frischgebackene Oma seien hier am Kuscheln mit ihren Zwillingen. Doch es sind einfach zwei Frauen, die den Babys Zeit und Zuwendung schenken, auch wenn es nicht ihre eigenen sind. Verwandtschaft braucht es für die beiden nicht, damit Milo und Emil ihr Herz rühren. „Es ist einfach schön zu spüren, dass das Baby durch mich erleben kann, dass jemand auf seine Signale reagiert, dass jemand für es da ist“, sagt Anja.

Babys suchtkranker Mütter

Emil und Milo – sie werden später am Tag auch noch von ihrer künftigen Pflegemutter besucht werden – sind heute ruhig und wirken zufrieden. Vielleicht ist das schon eine direkte Auswirkung der Zuwendung und Zärtlichkeit, die sie, man möchte fast sagen, von allen Seiten, erhalten. Auch ihre leibliche Mutter kommt immer wieder, erzählt Eva-Maria Wind, Stationsleitung an der gemeinsamen Station für kleine Patent*innen aus der Abteilung für Pädiatrische Kardiologie und der Abteilung für Neonatologie, auch wenn bereits entschieden ist, dass ihre Söhne in einer Pflegefamilie aufwachsen werden. Jenseits dieser Momentaufnahme, die nach heiler Welt aussieht, haben es Emil und Milo nämlich nicht ganz so leicht. Bei ihnen wurde nach der Geburt das neonatale Abstinenzsyndrom (NAS) diagnostiziert. Die Neugeborenen, noch dazu Frühchen, müssen postnatal einen Entzug durchmachen. „Nestwärme“, wie auch die ehrenamtliche Initiative des Vereins „Lichtblick“ heißt, brauchen sie daher besonders dringend. Und wenn die Eltern diese Nestwärme und Fürsorge nicht geben können, springen die ehrenamtlichen Helferinnen ein.

Postnatales Management

Bei bis zu 80 Prozent der Babys von drogenkonsumierenden oder substituierenden Müttern zeigen sich nach der Geburt Entzugssymptome. Sie äußern sich durch Zittrigkeit, erhöhte Muskelspannung, exzessives, schrilles Schreien, Unruhe ohne erkennbaren Grund, Schlafstörungen, übermäßiges Saugen, Niesen, Schluckprobleme bis hin zu Trinkschwäche. In schweren Fällen kommt es zu Erbrechen, Durchfällen, hechelnder Atmung, Fieber und sogar Krampfanfällen. Am Uniklinikum Graz kommen pro Jahr rund acht Babys mit NAS auf die Welt.

Unterstützung durch viel Körperkontakt

Je nach Schwere der Entzugssymptome erfolgt die Therapie zunächst mit „comfort care“: Diese spezialisierte Pflege konzentriert sich auf die Linderung von Symptomen wie Reizbarkeit und Zittern durch Pucken (eine Wickeltechnik, bei der ein Baby fest eingewickelt wird) und sanftes Wiegen in einer ruhigen, lichtgedämmten Umgebung. Schaukelbewegungen, viel Ruhe und intensiver Körperkontakt helfen, die Babys zu beruhigen und Entzugssymptome zu lindern. Diese nichtmedikamentöse pflegerische Unterstützung ist eine etablierte Therapieform und wird bei Bedarf durch Medikamente ergänzt.

„Wir sind sehr froh, dass wir die Ehrenamtlichen haben, sie sind eine große Entlastung“, sagt Eva-Maria Wind, die immer dann zum Telefon greift und die Großschädls ruft, wenn NAS-Babys auf ihrer Station liegen. „Diese Babys brauchen einfach noch mehr Zuwendung. Frühchen mit NAS bleiben bis zu acht Wochen bei uns. Wir könnten ihnen mit dem bestehenden Dienstplan die erhöhte Zuwendung, die für sie optimal ist, nicht in dem Maße geben“, erzählt sie. Koordiniert wird der Einsatz der Ehrenamtlichen am Uniklinikum Graz von Pflegeleitung Anneliese Derkits.

Ehrenamtliche Lichtblicke

Anja oder Petra Großschädl kommen, wenn sie gerufen werden, verlässlich. „Ich bin gerade dabei, dieses Ehrenamt an meine Tochter zu übergeben“, erzählt Petra Großschädl, die schon seit Jahren im Verein Lichtblick tätig ist. „Nestwärme“ ist eines der Angebote des Vereins. Ausgestattet mit Einmalkittel über der Kleidung, machen die beiden all das, was es braucht, damit sich ein Neugeborenes geborgen fühlen kann: Sie nehmen es in den Arm, wiegen es, streicheln es, reden ihm liebevoll zu – Zuwendung, die sonst meist die Eltern beim sogenannten Kangarooing übernehmen. Eva-Maria Wind: „Uns geht es um das Kind. Daran orientieren sich alle unsere Entscheidungen. Es ist wichtig, dass jemand für die Babys da ist und mit ihnen kuschelt, so viel es nur geht.“

Ehrenamtliche Unterstützung am Uniklinikum Graz

Lichtblick betreut in Ambulanzen des Uniklinikum Graz Patient*innen, die alleine warten und Unterstützung oder jemanden zum Reden brauchen. Im Rahmen des Projekts Nestwärme kümmert man sich speziell um NAS-Babys.

Gelbe Tanten besuchen im Kinderzentrum Graz kleine Patient*innen, spielen, lesen vor und reden mit ihnen.

Die Teams der Seelsorge begleiten Menschen in belastenden Lebenssituationen im LKH-Univ. Klinikum Graz.

Hospizbegleiter*innen sind in den Palliativeinheiten nicht nur Gesprächspartner*innen für Patient*innen, sondern helfen auch bei Alltagstätigkeiten.

Presseanfragen

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

simone.pichler@uniklinikum.kages.at

Downloads

Abdruck kostenfrei unter korrekter Angabe des Fotocredits: