„Wir wollen die Erkrankung an der Wurzel packen!“

Pressemitteilung

Die Immunglobulin-A-Nephropathie, frĂŒher auch Morbus Berger genannt, ist die hĂ€ufigste entzĂŒndliche Nierenerkrankung weltweit und fĂŒhrt bei bis zu 50 Prozent der Patient*innen innerhalb von 10 bis 15 Jahren zu einem terminalen Nierenversagen. In Österreich sind rund 2.500 Menschen von dieser Erkrankung betroffen, MĂ€nner etwa viermal so hĂ€ufig wie Frauen. Erstmals stehen nun Therapien zur VerfĂŒgung, die direkt im Darm ansetzen, also dort, wo die Erkrankung entsteht. Voraussetzung fĂŒr eine erfolgreiche Behandlung ist jedoch, dass die Diagnose frĂŒhzeitig gestellt und die Patient*innen rechtzeitig therapiert werden.

Auch der 53-jĂ€hrige Bernd Neuhold aus BĂ€rnbach schöpft dank neuer Therapieoptionen Hoffnung. „Ich hoffe wirklich, dass jetzt ein Medikament herauskommt und ich dadurch erst gar nicht zur Dialyse muss“, sagt er. Bei ihm wurde im MĂ€rz 2024 eine sogenannte Immunglobulin-A-Nephropathie diagnostiziert.

Lange Zeit bemerkte Neuhold nichts von seiner nachlassenden Nierenfunktion. Er wusste zwar von seinem Bluthochdruck und hatte Übergewicht, fĂŒhlte sich aber im Alltag grundsĂ€tzlich gesund – trotz geschwollener Beine und geringerer Belastbarkeit. „Das war fĂŒr mich ein totaler Zufallsbefund und da muss ich wirklich meiner HausĂ€rztin danken. Sie hat immer wieder eine Blutprobe von mir eingefordert und da ist dann herausgekommen, dass ich eine NierenschwĂ€che habe.“ Die Allgemeinmedizinerin schickte ihren Patienten zum Internisten, dieser ĂŒberwies ihn an die Nephrologie am Uniklinikum Graz, wo eine Nierenbiopsie den Verdacht bestĂ€tigte. „Das Wort Nephrologie hatte ich – um ehrlich zu sein – zuvor noch nie gehört.“ 

Die Erkrankung an der Wurzel packen

„Die IgA-Nephropathie ist zwar in der Allgemeinbevölkerung weitgehend unbekannt, aber tatsĂ€chlich die hĂ€ufigste entzĂŒndliche Nierenerkrankung“, erklĂ€rt  Univ.-Prof.in Dr.in Kathrin Eller von der Klinischen Abteilung fĂŒr Nephrologie an der UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Innere Medizin. Sie wĂŒnscht sich mehr Aufmerksamkeit fĂŒr die Erkrankung. 

Neu entwickelte Antikörper-Therapien setzen direkt an ihrem Ursprung an: im Darm. Dort werden IgA-Antikörper gebildet. Bei genetischer Veranlagung können fehlerhaft verĂ€nderte IgA-MolekĂŒle in den Blutkreislauf gelangen und sich in den Nierenfiltern ablagern – eine EntzĂŒndung entsteht. „Die IgA-Nephropathie ist ein systemisches Geschehen. Deshalb sind immer beide Nieren betroffen“, so Eller.

WĂ€hrend bisher vor allem Blutdrucksenkung und die Reduktion von Eiweiß im Harn (Proteinurie) im Mittelpunkt standen, richten sich neue Medikamente gezielt gegen die krankhaft erhöhte IgA-Produktion. „Wir wollen die Erkrankung an der Wurzel packen. Erste Therapien stehen zur VerfĂŒgung, viele weitere werden derzeit entwickelt und in klinischen Studien geprĂŒft – auch am Uniklinikum Graz“ Auch Bernd Neuhold nimmt an einer klinischen Studie teil. Einmal alle zwei Monate erhĂ€lt er ein Medikament, das fĂŒr andere Erkrankungen bereits zugelassen ist und nun auf seine Wirksamkeit bei IgA-Nephropathie geprĂŒft wird. 

IgA-Nephropathie: Eine stille Erkrankung

„Das TĂŒckische an NierenschwĂ€che ist, dass man sie einfach sehr lange ĂŒberhaupt nicht spĂŒrt“, erklĂ€rt Eller. Die Nieren schmerzen nicht – deshalb wird ein schleichender Funktionsverlust hĂ€ufig erst erkannt, wenn schwere Symptome auftreten: Wassereinlagerungen, Störungen des Elektrolythaushalts und ausgeprĂ€gtes KrankheitsgefĂŒhl. „Daher sehen wir viele Patientinnen und Patienten viel zu oft erst, wenn das Organ bereits stark geschĂ€digt ist“, weiß die Expertin.

Dabei erfĂŒllen die Nieren lebenswichtige Aufgaben: Sie entgiften den Körper, regulieren Blutdruck, Wasser- und Elektrolythaushalt. Versagen sie, werden Dialyse oder Transplantation notwendig. Bei einer IgA-Nephropathie entwickelt etwa die HĂ€lfte der Betroffenen innerhalb von 10 bis 15 Jahren ein terminales Nierenversagen. Nahezu alle Betroffenen haben ein Risiko fĂŒr ein Fortschreiten der Erkrankung.

FrĂŒherkennung ist entscheidend

„FĂŒr den Erfolg der neuen Medikamente ist es entscheidend, sie rechtzeitig einzusetzen“, erklĂ€rt Eller. FrĂŒhzeitig erkannt wird die Erkrankung oft durch Eiweiß und rote Blutkörperchen im Harn – Hinweise, die im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder bei der Stellung sichtbar werden können. „Unser Ziel ist es, unsere Patient*innen viel frĂŒher zu finden und sie frĂŒher zu therapieren. Schon jetzt werden uns mehrere junge MĂ€nner pro Monat zugewiesen, weil sich bei der Stellung im Harn AuffĂ€lligkeiten zeigen“, erzĂ€hlt Eller. Auch bei Bernd Neuhold gab es schon damals Hinweise auf eine Proteinurie – ohne dass dem weiter nachgegangen wurde. 

Dank der neuen Therapien kann Neuhold dennoch hoffen, dass er keine Dialyse benötigen wird. „Wir sind auf dem Weg zu zielgerichteten, krankheitsmodifizierenden Therapien. Weitere Forschung lĂ€uft, um das Behandlungsspektrum zu erweitern und die Nieren langfristig zu schĂŒtzen“, so Eller.

Was ist IgA-Nephropathie?

Die IgA-Nephropathie (auch Morbus Berger) ist eine chronische autoimmunbedingte Nierenerkrankung. Der Name ist auf ein bestimmtes Eiweiß zurĂŒckzufĂŒhren, das Immunglobulin A (kurz IgA), das sich in Form von sogenannten Immunkomplexen in den Nieren ablagert. Die IgA-Nephropathie ist die hĂ€ufigste Ursache einer EntzĂŒndung der Nierenfilter. Im Vergleich zu Nierenerkrankungen, die durch Diabetes oder Bluthochdruck verursacht werden, kommt sie jedoch weitaus seltener vor. 

MĂ€nner sind hĂ€ufiger betroffen als Frauen. Die Diagnose wird meist in einem Alter von 20 bis 30 Jahren gestellt. Symptome sind u. a. eine Proteinurie und MikrohĂ€maturie (nicht sichtbare, aber mikroskopisch oder durch Teststreifen nachweisbare Ausscheidung von roten Blutkörperchen im Urin), nachlassende Nierenfunktion, Bluthochdruck oder auch eine schmerzlose MakrohĂ€maturie (mit bloßem Auge sichtbare Ausscheidung von Blut), vor allem bei Infekten der oberen Atemwege. Die Diagnose einer Immunglobulin-A-Nephropathie kann jedoch ausschließlich durch eine Nierenbiopsie gestellt werden.  

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