Gehirn ausgetrickst, Blutdruck gesenkt

Pressemitteilung

Im MĂ€rz implantierte ein Team aus Transplantationschirurgen, Kardiologen und AnĂ€sthesisten des LKH-Univ. Klinikum Graz steiermarkweit zum ersten Mal einem Patienten einen Barostimulator. Mithilfe des GerĂ€tes konnte der extrem hohe Blutdruck, unter dem der Steirer aus unerklĂ€rlichen GrĂŒnden gelitten hatte, dauerhaft gesenkt werden. Der Barostimulator aktiviert Rezeptoren an der Halsschlagader, die in der Folge dem Gehirn vortĂ€uschen, der Blutdruck wĂŒrde weiter steigen. Das Gehirn reagiert darauf, in dem es körpereigene Mechanismen zur Blutdrucksenkung auslöst.

(v. li.): Univ.-Prof. DDr. Peter Schemmer, Fachbereich Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Vicenzi, Klin. Abt. fĂŒr Herz-, Thorax und GefĂ€ĂŸchirurgische AnĂ€sthesie, Univ.-Prof. Dr. Andreas Zirlik, Leiter Klin. Abt. fĂŒr Kardiologie, Patient Emanuel Schigan, Dr. Michael Sereinigg, Fachbereich Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, und Dr. Ella Niederl, Klin. Abt. fĂŒr Kardiologie | ©LKH-Univ. Klinikum Graz/Werner Stieber

Mit dem Blutdruck ist es so eine Sache: Ist er niedrig, macht er sich zwar frĂŒher bemerkbar, ist aus Ă€rztlicher Sicht jedoch eher unproblematisch. Ist er hingehen hoch, spĂŒrt man die Auswirkungen lange nicht. Wenn sie sich dann zeigen, schrillen oftmals die medizinischen Alarmglocken und eine medikamentöse Therapie wird gestartet – inklusive Empfehlungen, die tĂ€glichen Bewegungseinheiten zu intensivieren und den persönlichen Speiseplan ernĂ€hrungstechnisch zu pimpen. Es gibt jedoch Menschen mit einem extremen Bluthochdruck, der mit klassischen Behandlungen nicht therapierbar ist. „Das sind oft Patienten, deren erster Wert weit jenseits der 200 mmHg liegt und deren zweiter die 110 mmHg ĂŒberschreitet. Meist ist bei diesen Patienten auch die Ursache der Erkrankung nicht erruierbar“, konkretisiert Univ.-Prof. Dr. Andreas Zirlik, Leiter der Klin. Abt. fĂŒr Kardiologie. So könne man von einer tickenden Zeitbombe sprechen, die die Lebenserwartung des Betroffenen massiv beeinflusst, so der Experte.

Vor einem Jahr 241/174 mmHG, heute 141/84: Tendenz fallend

Der Barostimulator: Die Elektrode wird an den Barorezeptoren an der Halsschlagader angebracht und das GerĂ€t unterhalb des SchlĂŒsselbeins eingesetzt. | ©LKH-Univ. Klinikum Graz/Werner Stieber

Seit MĂ€rz 2019 wird am LKH-Univ. Klinikum Graz fĂŒr derartige Patienten die Implantation eines Barostimulators als neue Behandlungsform angeboten, wobei Kardiologen, Transplantationschirurgen und AnĂ€sthesisten an einem Strang ziehen. Mit Erfolg, wie der Genesungsfortschritt Emanuel Schigans zeigt. Er ist der erste Steirer, dem ein solches GerĂ€t eingesetzt wurde.
Im Oktober 2018 wurden bei ihm im LKH-Wagna Blutdruckwerte von 241/174 mmHG festgestellt. „Ich bin da eigentlich nur hingegangen, weil meine FĂŒĂŸe auf einmal so angeschwollen sind und ich einen Ausschlag bekommen hab. Die haben mich gleich aufgenommen", sagt er und erzĂ€hlt, dass er ein paar Tage darauf nach Graz ĂŒberstellt wurde. In den Folgemonaten stellten sich massive gesundheitliche Probleme ein: Nierenversagen mit Dialyse und mehrere SchlaganfĂ€lle, die ihn sogar in den Rollstuhl brachten.

Die Folgeerkrankungen des Bluthochdrucks wurden am Klinikum Graz erfolgreich behandelt, intensive Rehabilitationsphasen brachten ihn zurĂŒck in den Alltag. Seinen hohen Blutdruck - und damit die Ursache allen Übels - bekam man letztlich mithilfe des Barostimulator in den Griff.
Heute liegt Herrn Schigans Blutdruck bei 141/84 mmHG, die Nieren erholen sich langsam und er steht wieder auf eigenen Beinen. Blutdrucktendenz: Nach wie vor fallend. „Als mir die Ärzte das Implantat vorschlugen, habe ich sofort zugesagt. Ich bin sehr froh darĂŒber, denn anders hĂ€tten wir meinen Blutdruck und damit meine Gesundheit wohl nicht mehr in den Griff bekommen", sagt Schigan und betont, wie gut er sich von den Ärzten und den Pflegepersonen vom ersten Tag am LKH-Univ. Klinikum Graz an betreut gefĂŒhlt hat. Bis heute kommt er regelmĂ€ĂŸig zur Kontrolle.

Der Körper wird animiert, das Bluthochdruckproblem selbst zu lösen

Der Barostimulator: Die Elektrode wird an den Barorezeptoren an der Halsschlagader angebracht und das GerĂ€t unterhalb des SchlĂŒsselbeins eingesetzt. | ©LKH-Univ. Klinikum Graz/Simon Möstl | Grafik: neucomed

Wie der Barostimulator funktioniert, beschreibt Dr. Michael Sereinigg vom Fachbereich Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Univ.-Klinik fĂŒr Chirurgie: „Salopp ausgedrĂŒckt, trickst er das Gehirn aus, in dem er die Barorezeptoren an der Halsschlagader, die bei der Regulierung des Blutdrucks eine maßgebliche Rolle spielen, mit elektrischen Impulse anregt. Dem Gehirn wird dadurch vorgetĂ€uscht, der Blutdruck wĂŒrde weiter steigen. Als Reaktion darauf löst es körpereigene Mechanismen aus, die den Blutdruck wieder senken." Die Operation fĂŒr die Implantation dauert etwa eine Stunde und erfolgt ĂŒber einen nur ca. vier Zentimeter kurzen Schnitt am Hals des Patienten. „Zuerst wird die Stimulationselektrode an der Halsschlagader fixiert und danach das GerĂ€t unterhalb des SchlĂŒsselbeines eingesetzt. Die beiden sind mit einem feinen Kabel unter der Haut miteinander verbunden. Die Funktionskontrolle erfolgt fortan ĂŒber eine eigene Software," so der Transplantationschirurg.

Eine echte Herausforderung stellt die OP fĂŒr die AnĂ€sthesie dar. „Wir können die klassischen Narkosesubstanzen nicht einsetzen, da sie die Reizschwellenmessung verfĂ€lschen. Diese ist jedoch ausschlaggebend fĂŒr die perfekte Positionierung der Elektrode. Die Medikamente sind daher individuell auf den Patienten abgestimmt", informiert ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Vicenzi von der Klin. Abt. fĂŒr AnĂ€sthesiologie fĂŒr Herz-, Thorax-, GefĂ€ĂŸchirurgiche AnĂ€sthesiologie und Intensivmedizin. Hohe Fachkompetenz gepaart mit viel FeingefĂŒhl ist also gefragt

Gemeinsam im Sinne des Patienten

(v. li.): ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Vicenzi, Klin. Abt. fĂŒr Herz-, Thorax und GefĂ€ĂŸchir. AnĂ€sthesie, Dr. Michael Sereinigg, Fachb. Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Patient Emanuel Schigan, Ass.-Prof. Dr. Wolfgang Köle, Ärztlicher Direktor des LKH-Univ. Klinikum Graz und Dr. Ella Niederl, Klin. Abt. fĂŒr Kardiologie | ©LKH-Univ. Klinikum Graz/Simon Möstl

Die erfolgreiche Kooperation der Experten spiegelt sich auch im UniversitĂ€ren Grazer Herzzentrum, das vom LKH-Univ. Klinikum Graz und der Med Uni Graz betrieben wird, wider, in dem die Ärzte im Sinne einer spezialisierten Patientenbetreuung sowie der universitĂ€ren Forschung zusammenarbeiten -beispielsweise eben hinsichtlich der Frage, ob der Barostimulator bei einem Patienten zum Einsatz kommt.
Bei Herr Schigan waren sich die Experten dahingehend einig, sodass es bei ihm aus kardiologischer Sicht sukzessive bergauf geht. Selbst strikte ErnĂ€hrungs- oder Verhaltensvorschriften gibt es fĂŒr ihn nicht. „Alkohol soll ich halt nicht trinken und mich auch bei Cremeschnitten zurĂŒckhalten. Aber das ist egal. Ich war ja eh nie ein SĂŒĂŸer", sagt der SĂŒdsteirer lĂ€chelnd.

Mittlerweile wurde einem weiteren Patienten am LKH-Univ. Klinikum Graz ein Barostimulator implantiert. Die Therapie ist weltweit im Einsatz, österreichweit leben gut 30 Patienten mit dem GerÀt. Der Barostimulator ist batteriebetrieben und hÀlt durchschnittlich sechs Jahre. Der Austausch erfolgt unter örtlicher BetÀubung.

Kontakt

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

simone.pichler@uniklinikum.kages.at

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